JStG 2024: Müssen Bildungsanbieter zum 01.01.2025 neue Bescheinigungen beantragen?

07.01.2025
Die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG wird durch das Jahressteuergesetz 2024 neu gefasst

JStG 2024: Müssen Bildungsanbieter zum 01.01.2025 neue Bescheinigungen beantragen?
1 Reform der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen zum 01.01.2025
Die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG wird durch das Jahressteuergesetz 2024 neu gefasst. Im KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 49 | 2024 haben wir vor Kurzem ausführlich darüber berichtet. Die Reform tritt zum 01.01.2025 in Kraft.

2 Bescheinigungsverfahren bleibt
Im Regierungsentwurf zum JStG 2024 war das Bescheinigungsverfahren nicht mehr vorgesehen. Mitte Oktober machte dann ein stark veränderter Reformentwurf die Runde, der seinen Weg nun in das Bundesgesetzblatt gefunden hat (BGBl I v. 05.12.2024). Ergebnis: Das Bescheinigungsverfahren bleibt, die zuständigen Landesbehörden müssen nun aber anderslautende Bescheinigungen ausstellen:

In der bis zum 31.12.2024 geltenden Gesetzesfassung können Bildungsleistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen umsatzsteuerfrei sein, „wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“ (§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG).
Ab dem 01.01.2025 nun lautet der Satz in der Neufassung des § 4 Nr. 21 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG: „wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen“.
3 Unzählige Neuanträge notwendig – schriftliche Frage an die Bundesregierung
Die zuständigen Landesbehörden werden somit mit einer Masse an Neuanträgen konfrontiert sein. Vor diesem Hintergrund hat der Bundestagsabgeordnete Fritz Güntzler lobenswerterweise mit einer schriftlichen Anfrage bei der Bundesregierung nachgehakt, ob die bisherigen Bescheinigungen weiterhin gelten. Und falls nein, wie sichergestellt sei, dass alle betroffenen Bildungsanbieter ab dem 01.01.2025 eine neue Bescheinigung besitzen.
Mit Schreiben vom 05.12.2024 (III C 3 – S 7179/21/10003 :003) hat das Bundesfinanzministerium wie folgt geantwortet:
„Die Bundesregierung teilt Ihre Auffassung, dass die vor dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2024 ausgestellten Bescheinigungen nach § 4 Nummer 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Umsatzsteuergesetz (UStG) auch nach dem 31. Dezember 2024 die Voraussetzungen des ab 1. Januar 2025 gültigen § 4 Nummer 21 Satz 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG erfüllen und weiter gültig sind. Eine entsprechende Klarstellung soll in das BMF-Schreiben zur Neuregelung des § 4 Nummer 21 UStG aufgenommen werden.“

4 BMF-Schreiben bindet nur die Finanzverwaltung, nicht die Finanzgerichte
Die vom BMF angekündigte Klarstellung soll in ein sog. BMF-Schreiben aufgenommen werden. Dieses ergeht im Einvernehmen mit den Ländern, das jedoch noch aussteht. BMF-Schreiben sind Verwaltungsanweisungen und an die nachgelagerten Finanzbehörden gerichtet, die daran gebunden sind. Die Finanzgerichte dagegen sind Gesetz und Recht verpflichtet (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes), aber nicht an BMF-Schreiben gebunden (Grundsatz der Gewaltenteilung).

Beurteilen die Finanzämter einen umsatzsteuerlichen Sachverhalt im Bildungsbereich anders als vom Steuerpflichtigen gewünscht, etwa weil Umfang oder Details der Steuerbefreiung strittig sind, müssen ggf. die Finanzgerichte bemüht werden. Diese sind aber eben nicht an das angekündigte BMF-Schreiben gebunden, sondern werden sich an den Wortlaut des Gesetzes halten. Und dieser erfordert ab dem 01.01.2025 eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass die Bildungseinrichtungen „Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen“. Verfügt die Bildungseinrichtung nicht über diese (neue) Bescheinigung, steht die Steuerbefreiung gänzlich in Frage, über Umfang und Details braucht dann vor dem Finanzgericht nicht mehr gestritten zu werden.

5 Handlungsempfehlung für Unternehmer (und auch für das BMF)
Vor diesem Hintergrund sollten Bildungseinrichtungen, die an der Steuerbefreiung weiterhin partizipieren wollen, eine neue Bescheinigung bei der zuständigen Landesbehörde beantragen. Nur so ist gewährleistet, dass die neu gefasste Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG auch greifen kann.

Gewerbliche Bildungsanbieter haben hingegen in der Vergangenheit über keine Bescheinigung verfügt, so dass ihre Leistungen steuerpflichtig waren. Das war auch gut so, da sie hierdurch den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen konnten. Mit der gesetzlichen Neufassung droht aber nun Verdruss, denn viele gewerbliche Bildungsdienstleister bieten „Fortbildung oder berufliche Umschulung“ an. Eine Lösung könnte sein, die neue Bescheinigung einfach nicht zu beantragen. Die Bescheinigung kann allerdings auch von Dritten (z.B. vom Finanzamt) beantragt werden. Uns liegen hier dokumentierte Fälle aus mehreren Bundesländern vor. Es besteht also die Gefahr, dass es gegen den Willen des gewerblichen Bildungsanbieters zu einer Steuerbefreiung und damit zum Verlust des Vorsteuerabzugs kommt. Damit nicht genug, auch Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG für die Vergangenheit und Schadensersatzverpflichtungen gegenüber Vermietern stehen im Raum. Deshalb braucht es dringend die Klarstellung im Umsatzsteuer-Anwendungserlass, dass die Bescheinigung nur vom Unternehmer, nicht aber vom Finanzamt angefordert werden kann. Der Ball liegt nun beim BMF.